Mit Vorsatz ins Burnout!

Fühlst Du Dich leicht und unbeschwert, frei und voller Enthusiasmus? Das kannst Du ändern. Lies hierzu meine ersten 10 besten Tipps, wie Du erfolgreich und gut strukturiert langsam, aber sicher ausbrennst.

1. Nimm Dir möglichst viel auf einmal vor. Du musst alle Lebensbereiche gleichzeitig optimieren. Agiere aus Unzufriedenheit und schau, was andere schon geschafft haben, um es ihnen zu zeigen.

2. Unterstütze Arbeitskollegen und Freunde, indem Du ihnen bei allem hilfst und sie sofort unterstützt. Lass dabei Deine Dinge liegen; schliesslich laufen sie Dir nicht davon. Sorge dafür, dass andere Dich mögen, weil Du immer für sie da bist, wenn Du gebraucht wirst.

3. Surfe ausgiebig im Internet. Besonders spannend sind die Nachrichten; denn Du musst Dich gut über alles informieren.

4. Trinke viel starken Kaffee und vertraue auf Kohlehydrate und Weissmehlprodukte. Verzichte auf zu viel Obst und Gemüse. Besonders bekömmlich sind Alkoholika, Nikotin und Zucker. Die halten nämlich wach.

5. Nutze die Nächte zum Arbeiten. Da hast Du die besten Ideen, und keiner stört.

6. Lege Deine Termine und Meetings möglichst nacheinander. Verzichte auf Pausen, das lenkt nur ab.

7. Achte in der Freizeit auf Abwechslung. Mach möglichst viele aufregende Dinge. Vergiss nicht, dass wer rastet, der rostet.

8. Sport machst Du entweder richtig oder gar nicht. Ein Triathlon eine Alpenüberquerung oder ein Trail-Run sind in Ordnung. Ansonsten nutze lieber den Verstand und lasse den Körper in Ruhe.

9. Achte penibel darauf, was über Dich gesprochen wird. Reagiere sofort auf Kritik und erbarmungslos mit einer Gegenattacke.

10. Habe stets alle Deine Baustellen im Blick. Achte auf negative Zeichen. Du darfst nie lockerlassen, sonst entgeht Dir etwas Wichtiges.

Befolgst Du die vorstehenden Punkte, so wirst Du irgendwann in einen Zustand totaler körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung sowie verringerter Leistungsfähigkeit geraten. Diesen Zustand nennt man auch Burnout. Übersetzt bedeutet der aus dem Englischen stammende Begriff so viel wie „Ausbrennen“. Personen mit Burnout fühlen sich extrem erschöpft und häufig innerlich leer. Interessanterweise tritt ein Burnout oft bei Menschen in sozialen Berufen auf, in denen man sich vor allem um andere Menschen kümmert. Zu den Burnout gefährdeten Berufen zählen Sozialarbeiter, Ärzte, Kranken- und Altenpfleger und natürlich auch Lehrerinnen und Lehrer, gleich welcher Stufe.

Mögen die Gründe, warum vor allem Menschen in sozialen Berufen besonders Burnout gefährdet sind, noch so vielfältig sein, lassen sich trotzdem vier davon herauskristallisieren:

Erstens sind Menschen, die in sozialen Berufen arbeiten, in ihrem Persönlichkeitsprofil stark menschenorientiert. Dies ist auch häufig der Grund, warum sie einen sozialen Beruf gewählt haben. Viel liegt ihnen daran, was andere von ihnen halten. Lehrerinnen und Lehrer haben den Wunsch anerkannt und geachtet zu sein. Insbesondere wollen sie nicht, dass Schülerinnen und Schüler sie ablehnen oder gar verachten. Diese werden so zu einer Hauptenergiequelle in ihrem Leben. Fällt die erwartete Wertschätzung aus, entsteht auch bei hoher Leistung ein Defizit in der Energiezufuhr. So gesehen, ist das grösste Kapital eines Lehrers die Zuneigung der Schüler, während eine Ablehnung durch diese zur grössten Hypothek werden kann.

Zweitens zeigen Menschen in sozialen Berufen ein hohes Engagement, das oft über die eigenen Kräfte hinausreicht. Kommt es zu einem gestörten Gleichgewicht zwischen Anforderungen und Belohnungen, lässt sich dies damit erklären, dass die Entscheidung, Lehrer zu werden, von den meisten bewusst gefällt wird. Hinter der Berufsentscheidung stecken oft Ideale und ein hoher Anspruch an sich selbst. Am Beginn der Berufstätigkeit steht eine grosse Begeisterung für die Sache. Man möchte etwas bewirken, andern wirklich helfen oder ihnen etwas beibringen, das Potential in ihnen entwickeln, und natürlich möchte man niemanden hängen lassen. Nicht nur Berufsanfänger, deren hohe Ziele und Erwartungen noch nicht durch Ernüchterung gedämpft wurden, droht hier die Gefahr, über ihre Grenzen der Leistungsfähigkeit hinauszugehen. Bleiben Erfolgserlebnisse aus, wird die Arbeit immer weniger reizvoll und die Frustration nimmt zu. Viele werden, um sich selbst zu schützen, zynisch oder beginnen sich zu fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, Schülerinnen und Schüler helfen zu wollen, denen erfahrungsgemäss gar nicht zu helfen ist. Manchmal stellt sich auch die paradoxe Situation ein, dass Lehrerinnen und Lehrer das Gefühl haben, Klassen etwas lehren zu müssen, die gar nichts lernen wollen. – (Arbeitspsychologen haben in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen, dass Menschen, die sich beruflich für andere einsetzen, häufig in eine Abwärtsspirale geraten, wobei die nächste Stufe eine Art von Apathie ist. Man leistet nur noch Dienst nach Vorschrift. Man kommt möglichst spät und geht möglichst früh. Trotzdem kommt irgendwann die völlige Erschöpfung – das berüchtigte Burnout.)

Ein weiterer Faktor, auf den das hohe Engagement von Lehrpersonen zurückzuführen ist, sind drittens die äusseren Notwendigkeiten. Im Gegensatz zu Dingen kann man Menschen nicht einfach liegen lassen. Selbst wenn man nicht mehr will und nicht mehr kann, warten auf der anderen Seite Schülerinnen und Schüler, die unterrichtet oder betreut werden müssen. Dabei auf die Signale des eigenen Körpers zu hören und sich allenfalls zurückzunehmen, ist in vielen Fällen schier unmöglich. Das Burnout scheint unausweichlich, zumal Menschen in sozialen Berufen oft unter mangelhaften Ressourcen leiden. Zeit und Geld sind knapp, und Leistungen werden gekürzt. Weiterbildungsangebote können nicht oder nur in einem geringen Mass durchgeführt und finanziert werden. Hinzu kommt eine zunehmende Anzahl administrativer Aufgaben, kommen Reformen und sogenannte Erneuerungen, die selten auf den Unterricht zurückwirken, und oft hat man subjektiv das Gefühl, es fehle an einer Entlöhnung, die die eigene Arbeitsleistung würdigt.

Schliesslich sind Menschen, die in einem sozialen Beruf arbeiten, dem Risiko unsicherer Erfolgsaussichten ausgesetzt. Während zum Beispiel bei einer industriellen Fertigung oder im Handwerk das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag oder Ergebnis weitgehend berechenbar ist, sind die Erfolgsaussichten in sozialen Berufen oft ungewiss. So wird ein Patient trotz hohem pflegerischen Einsatz möglicherweise nicht gesund, ein Klient findet trotz aller therapeutischen Anstrengung nicht die nötige Hilfe, und Schüler machen trotz allem pädagogischen Aufwand nicht die erwarteten Fortschritte.

Christoph Frei
www.akadmisches-lektorat.ch