14 Schreibrezepte, die sich in meiner Schreibpraxis bewährt haben.

«Schreiben ist die Hölle, geschrieben haben der Himmel», lautet ein treffendes Bonmot der Publizistin Sibylle Krause. «Schreiben kann man nicht können», meint demgegenüber Peter Handke. Und Peter Bichsel kommt zum Ergebnis: «Ich schreibe, weil ich es nicht kann. Schreiben hat mit Können nichts zu tun, es ist ein andauerndes Umgehen mit dem Nicht-Können.» Offensichtlich ist Schreiben auch für Schriftsteller nichts Selbstverständliches. Sollte man es nicht können, wird man es wohl auch nie lernen. Trotzdem ist es möglich, mit dem, was Bichsel «Nicht-Können» nennt, umgehen zu lernen. Nicht auszuschliessen, dass Dir hierbei meine 14 Schreibrezepte helfen, die sich in meiner akademischen Schreibpraxis bewährt haben.

A) Mach Dir einen Fahrplan. Die Kolumbusmethode – einfach losschreiben und sehen, wo man rauskommt – funktioniert nur bei den Allerwenigsten. Statt aus dem Bauch heraus zu schreiben, strukturierst Du Deinen Text und formulierst Dein Ziel. Eine Überschrift kann dabei schon helfen. Schau Dir in einem zweiten Schritt die Informationen an, die vorliegen. Was passt zu Deiner Überschrift? Nummeriere die passenden Informationen durch. Mit dieser Reihenfolge vor Augen musst Du Dich beim Schreiben nur noch daran entlanghangeln.

B) Wechsle den Ort, an dem Du schreibst. Du sitzt im Seminar, und die Worte wollen Dir einfach nicht einfallen. Pack den Laptop ein und wechsle den Ort. Geh in ein Café oder setz Dich einfach in den Garten. Orte können inspirierend sein, sie bringen Dich auf neue Ideen.

C) Beginne mittendrin. Wer Probleme hat, den Einstieg zu finden oder einen guten ersten Satz, sollte sich nicht weiter damit quälen und mittendrin anfangen. Dein Gehirn arbeitet nicht linear. Wer sagt, dass die Einleitung zuerst geschrieben werden muss? Schau Dir Deine Notizen und Informationen an. Beginne mit dem Punkt, bei dem Dir auf Anhieb etwas einfällt. Dein Text wird sich wie bei einem Patchwork aus vielen einzelnen Teilen ergeben. Am Schluss kannst Du die Einzelteile immer noch miteinander verbinden und aufeinander abstimmen.

D) Trenne das Schreiben und Redigieren. Konzentriere Dich erst einmal auf das Schreiben. Viele Schreibende machen den Fehler, immer wieder im Text zurückzuspringen und das bereits Geschriebene zu überarbeiten und umzuformulieren. Damit stören sie ihren Schreibfluss. Versuche die Zensur in Deinem Kopf, so gut es geht, auszuschalten. Schreib erst einmal alles auf, das Dir durch den Kopf geht, und überprüf erst dann das Geschriebene auf Sinnhaftigkeit und Richtigkeit.

E) Schalte alle Störfaktoren aus. Niemand kann sich konzentrieren, wenn ständig das Telefon klingelt oder das E-Mail-Programm einen auf neue Nachrichten hinweist. Schaffe Dir einen ungestörten Raum. Auch das Internet kann mit seinen Versuchungen zur Ablenkung werden. Fällt Dir nichts ein, ist die Verlockung gross, schnell im Netz nachzuschauen. Dadurch verzettelst Du Dich nur.

F) Mach eine kurze Pause. Dass Dir nichts einfällt, kann auch damit zusammenhängen, dass Du Dich ausgelaugt fühlst. Dein Gehirn kann nur 90 Minuten am Stück effektiv arbeiten. Danach ist erst einmal Ende. Das ist dann der richtige Moment aufzustehen und frische Luft zu schnappen. Auch Bewegung kann Deine Leistungsfähigkeit wieder auf Trab bringen. Achte allerdings darauf, die Pause zeitlich zu begrenzen und Vermeidungshandlungen keinen Raum zu geben.

G) Stelle wilde Assoziationen an. Wie bekommt man den richtigen Einfall? Hilf Deinem Gedächtnis mit einem Brainstorming, einer Mind-Map oder einem Perspektivwechsel auf die Sprünge. Immer dann, wenn Du gerade ins Stocken gerätst und nicht mehr weiterkommst, bieten sich solche Methoden an, um auf neue Ideen zu kommen.

H) Lies andere Texte. Wie schreibe ich das bloss? Häufig sucht man nach einer Formulierung und kommt nicht weiter. Dann hilft es, den Text von jemand anderem zu lesen. Es kann Dich inspirieren zu sehen, wie jemand anderes angefangen und wie er formuliert hat. Je nach Textart oder Stil hilft, sich vorab mit ein paar grossartigen Artverwandten auseinanderzusetzen. Lesen bildet nicht nur, es belebt ebenso den Geist und löst so Blockaden.

I) Schreib Dich warm. Schreiben ist wie Musikmachen: Viele müssen sich erst einmal «eingrooven». Bevor Du den eigentlichen Text schreibst, kann es helfen, einen Spontantext zu schreiben. So überwindest Du Deine Angst vor der leeren Seite. Beginne zu tippen und finde Deinen Schreibrhythmus. Wenn Du dann zu Deinem eigentlichen Text übergehst, fliessen die Worte leichter.

J) Schreibe Dich parallel. Wer viel schreibt, arbeitet in der Regel an verschiedenen Texten. Auch hier gibt es keine Regel, die besagt, dass erst ein Text abgeschlossen sein muss, bevor Du mit dem nächsten beginnen kannst. Hakt es bei dem einen Text, wechsle die Materie und widme Dich einem anderen Thema.

K) Gliedere Deinen Text. Manchmal hilft schon, den geplanten Text in Teilabschnitte zu zerlegen, um sich einen Überblick zu verschaffen und das Ganze logisch zu gliedern. Mindmaps, aber auch lineare Listen können dazu wunderbare Werkzeuge sein. Zwischenüberschriften jedoch auch. So entsteht eine Struktur, der Du nur noch folgen musst.

L) Lasse Fehler zu. Nullfehlertoleranz können sich allenfalls Götter leisten. Wer auf Anhieb den perfekten Text schreiben will, verzettelt sich unweigerlich in Details. Effekt: Der Artikel wird nie fertig und immer schlechter. Detailliebe führt nur zu einem Tunnelblick. Schreibe lieber erst auf, was Dir und wie es Dir in den Sinn kommt. Umformulieren, korrigieren und feilen kannst Du an den Textbausteinen hinterher immer noch.

M) Diszipliniere Dich beim Schreiben. Muss ein Text fertig werden, geht es manchmal nicht anders, als Dich dazu zu zwingen, etwas zu Papier zu bringen. Deadlines, die weit entfernt sind, verleiten oft dazu zu trödeln und abzuschweifen. Druck kann manchmal dabei helfen, sich auf die vor einem liegende Aufgabe zu fokussieren. Du legst fest, wie lange Du schreiben willst und wie lange Du maximal pausieren darfst. (Du kannst natürlich auch so lange am Tisch sitzen bleiben, bis Du das Dir vorgenommene Schreibpensum erledigt hast.)

N) Lass Dich beraten, oder schreib zusammen mit jemand anderem, weil Du Dich dann bei Deinen Schreibbemühungen weniger alleingelassen fühlst.

Bild:

Peter Handke, 1967

Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich