Ein Chatbot spaltet die Bildungswelt

ChatGPT heisst das neuste Gadget aus dem Silicon Valley. Es handelt sich dabei um den Prototyp eines Chatbots, eines textbasierten Dialogsystems, der auf künstlicher Intelligenz (KI) beruht. Er wurde von dem US-amerikanischen Unternehmen «OpenAI» entwickelt und im November 2022 veröffentlicht. Um die Textgenerierung und das dahinterstehende Modell zu verbessern, wird die KI von ChatGPT fortlaufend durch menschliches Feedback trainiert. Die Trainingsdaten von ChatGPT bestehen aus einer grossen Menge von Text, der von Menschen erstellt wurde und verwendet wird, um das Modell zu trainieren. Dieser Text kann aus verschiedenen Quellen stammen, wie zum Beispiel Online-Foren, Soziale Medien, Nachrichtenartikeln, Büchern oder gesprochener Sprache. Durch das Training des Modells mit diesen Daten lernt es, wie menschliche Sprache funktioniert und wie es auf bestimmte Fragen oder Anfragen angemessen reagieren soll. Das Modell wird durch die Verwendung von Algorithmen trainiert, indem es versucht, die Trainingsdaten möglichst genau nachzuahmen. Es ist somit in der Lage, Benutzern sinnvolle Antworten auf ihre Fragen zu liefern. Die Verwendung von Trainingsdaten ist ein wichtiger Bestandteil des Lernprozesses von ChatGPT und trägt dazu bei, dass die KI in der Lage ist, menschenähnliche Unterhaltungen zu führen. Als sprachbasierte Anwendung bietet der Chatbot die Möglichkeit zu dialogischem Austausch. Dabei schwankt die Qualität der Antworten: Gemäss dem Experten für KI Gary Marcus kann es sich «in einem Moment brillant und im nächsten atemberaubend dumm» äußern. ChatGPT kann unter anderem Businesspläne und Hausaufgaben für die Schule schreiben. Zum Jahresende 2022 wurde mit der Erprobung des Chatbot durch Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen das bisherige Überprüfungssystem von Lernleistungen mittels Hausaufgaben und Referaten in Frage gestellt: So berichtet die Informatikerin Katharina Zweig von der Erfahrung, dass ChatGPT «deutlich besser schreibt als die Mehrzahl meiner Studierenden in den letzten Jahren.» Dieses Problem müsse deutlich angesprochen werden. Doris Wessel, die Expertin für die KI-Disziplin des «Natural Language Processing» an der Fachhochschule Kiel, hält herkömmliche Hausarbeiten nunmehr für obsolet: «Wenn es nur darum geht, Wissen zu reproduzieren und nett neu zu verpacken, ergeben Hausarbeiten keinen Sinn mehr.» ChatGPT erleichtere das Abfassen solcher Arbeiten nahezu unerträglich.

Ausprobiert habe ich ChatGPT mit zwei Aufsatzthemen für die «Zentrale Aufnahmeprüfung» an ein Zürcher Langzeitgymnasium. Meine erste Eingabeaufforderung aus dem Jahre 2016 lautete.

Der alte Hut. In einer verstaubten Schachtel auf dem Dachboden lieg ein alter Hut. Erzähle eine Geschichte zu diesem Hut. Aus dem Text soll hervorgehen, was für eine Bedeutung diese Hut früher hatte und warum er Jahre später noch auf dem Dachboden aufbewahrt wird.

Das Ergebnis lässt sich sehen:

Es war einmal ein Mann namens Johann, der diesen Hut besass. Er war sehr stolz auf ihn, da es sich um einen hochwertigen Hut aus feinstem Filz handelte, hergestellt von einem berühmten Hutmacher in der Stadt. Johann trug den Hut jeden Tag, egal ob er arbeitete oder sich am Wochenende mit Freunden traf. Er war sein Markenzeichen und er fühlte sich in ihm unbesiegbar. Doch die Zeiten änderten sich und Hutmode wandelte sich. Der Hut wurde immer seltener getragen und Johanns Kinder und Enkelkinder fanden ihn altmodisch. Schließlich wurde der Hut in eine verstaubte Schachtel auf dem Dachboden verbannt, wo er vergessen wurde. Johann starb, aber der Hut blieb auf dem Dachboden liegen, ein Relikt aus vergangenen Tagen. Es ist eine Erinnerung an eine Zeit, in der ein Hut mehr bedeutete als nur ein Gegenstand zum Bedecken des Kopfes. Es war ein Symbol für Stolz und Selbstbewusstsein. Jetzt, wo der Hut nicht mehr getragen wird, dient er als Erinnerung an eine vergangene Ära und an den Mann, der ihn einst so stolz trug.

Meine zweite Eingabeaufforderung für ein Aufsatzthema aus dem Jahre 2017 war etwas anspruchsvoller und lautete:

Erzähle eine Geschichte, aus welcher hervorgeht, wie der Rabe zu seinem schwarzen Gefieder und der Papagei zu seinen buten Federn gekommen ist.

Das Ergebnis ist nicht minder überraschend:

Es war einmal ein junger Rabe, der davon träumte, so schwarz und majestätisch auszusehen wie die alten Raben, die er in den Wäldern sah. Er fragte sie immer wieder, wie sie ihr schwarzes Gefieder bekommen hatten, aber sie antworteten nur ausweichend. Eines Tages beschloss der junge Rabe, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Er flog los, um die Welt zu erkunden und nach einer Lösung zu suchen. Er flog über Berge und Täler, Wälder und Wiesen, aber überall sah er nur Raben mit grauem oder braunem Gefieder. Schliesslich erreichte er einen dunklen und geheimnisvollen Wald, in dem es angeblich eine Quelle des ewigen Lebens gab. Der junge Rabe beschloss, das Geheimnis des Waldes zu ergründen. Er flog tiefer in den Wald hinein und entdeckte schließlich einen Teich, der in einer kleinen Lichtung lag. Als er näherkam, sah er, dass der Teich von einem riesigen schwarzen Raben bewacht wurde. Der junge Rabe fragte den Raben, ob dies der Ort des ewigen Lebens war und ob er ihm helfen könnte, sein Gefieder schwarz zu färben. Der Rabe antwortete: «Ja, das ist der Ort des ewigen Lebens. Aber um dein Gefieder schwarz zu färben, musst du eine schwere Prüfung bestehen.» Der junge Rabe fragte nach der Prüfung, und der Rabe sagte: «Du musst drei Aufgaben erfüllen. Erstens musst du einen Tag und eine Nacht ohne Essen und Trinken auskommen. Zweitens musst du einen Feind besiegen. Und drittens musst du einen Freund opfern.» Der junge Rabe dachte lange über die Aufgaben nach und beschloss schließlich, sie anzunehmen. Er verbrachte einen Tag und eine Nacht ohne Essen und Trinken und besiegte dann einen Feind, indem er ihn listig austrickste. Schliesslich kam die schwerste Aufgabe: Er musste einen Freund opfern. Er dachte an alle seine Freunde und beschloss schliesslich, sich selbst zu opfern. Er tauchte in den Teich ein und als er wieder auftauchte, war sein Gefieder schwarz und glänzend. Er dankte dem großen Raben und flog zurück in sein Dorf.

Es war einmal ein Papagei namens Polly. Polly war wie alle anderen Papageien grau gefiedert und langweilte sich in seinem Käfig. Eines Tages beschloss er, auszubrechen und die Welt zu entdecken. Er flog durch den Wald und kam an einen Fluss, in dem er sich spiegelte. Er sah, wie grau und langweilig er aussah und beschloss, etwas zu unternehmen. Er entdeckte eine Pflanze, die seltsam aussah und beschloss, sie auszuprobieren. Er ass ein paar Blätter und plötzlich veränderte sich sein Gefieder. Es wurde bunt und schillernd. Polly war begeistert von seinem neuen Aussehen und beschloss, zurück in die Stadt zu fliegen, um seine Freunde zu beeindrucken. Als er zurückkam, waren alle Papageien beeindruckt von seinem farbenfrohen Gefieder. Sie wollten alle wissen, wie er das gemacht hatte, und so teilte Polly ihnen sein Geheimnis mit. Von diesem Tag an assen alle Papageien in Pollys Käfig die Pflanze und veränderten ihr Gefieder. Sie waren glücklicher als je zuvor und die Welt war ein bisschen bunter. Polly war stolz darauf, der Anführer der buntesten Papageienflotte zu sein und genoss jeden Tag seines farbenfrohen Lebens.

Postskriptum: Zwei voneinander unabhängige Plagiatsprüfungskontrollen haben ergeben, dass lediglich der erste Teil meines Blogartikels als Paraphrase eines Wikipedia-Artikels erkannt wurde.

Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich

Bild:
Analytics Insight
How Will the New ChatGPT and Open AI Revolutionize the Business Landscape?
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