HATERS GONNA HATE

Am 9. Januar 2021 teilte ich auf meiner FB-Seite «Akademisches Lektorat» einen Artikel von Sarah Pines aus der NZZ, der die Sperrung des Twitter-Accounts von Donald J. Trump diskutierte. Thema war dabei nicht, dass Donald Trump den Twitter-Account missbraucht hat, sondern die Tatsache, dass viele Trump-Feinde in ihrer nahezu bedingungslosen Verehrung grosser Tech-Monopole den Boykott politischer Gegner mit einem «War aber auch höchste Zeit!» auf der ganzen Welt begrüssen. Es ging also um TWITTER und nicht um DONALD TRUMP. «Selten zuvor», schreibt die Autorin, «übten in Demokratien wenige Individuen eine derartige Kontrolle über die Informationen aus, die wir konsumieren. Nicht mehr gewählte Regierungen oder unabhängige Richter regulieren unser politisches und kulturelles Leben, sondern Unternehmen, die damit willkürlich über unsere Freiheiten entscheiden.» So betrachtet, weist der Ausschluss von TWITTER auch in Richtung des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden. Einige Besucherinnen und Besucher meiner FB-Seite lasen das Posting freilich so, als ob ich Donald Trump in Schutz nehme, ja ein Befürworter seiner Politik sei, was allein schon durch die Tatsache evident werde, dass ich einen NZZ-Artikel teile. Dass der Artikel etwas mit der komplementären Struktur von Kommunikationsabläufen zu tun hat, wollten viele partout nicht begreifen. Für Sie blieb ich ein Anhänger Trumps, weil sie es so sehen wollten. Ob sie den Artikel überhaupt gelesen hatten, schien dabei keine Rolle zu spielen.

So schreibt E.H. zum Beispiel: «Ah, das ist hier also ein Trump Unterstützer und Corona Massnahmenzweifler Lektorat. Gut zu wissen, damit will ich nichts zu tun haben. Wer sich mit Rechtsradikalen verbündet, ist keinen Deut besser.» Und N. S. ergänzt: «Geht mir genauso…, ich werde hier nicht weiter verweilen. Diese Rechtsaussen Einstellung geht für mich nicht.» Es geht auch noch etwas extremer. B.J. zum Beispiel postet Folgendes: «Danke für die schlaue Antwort. Leute wie dich braucht es ja immer zum erklärt. Weil alle anderen komplett blöd sind. Die brauche solche Schlauchen wie dich eben. Samstage sind dafür übrigens besonders gut geeignet. Da laufen die ganzen Schlauchen so richtig zur Hochform auf.»

Was das Ganze mit Corona und Rechtsradikalität zu tun hat, bleibt freilich im Dunkeln. Hauptsache, man hat ein Statement abgeben. Selber schuld, wer sich in den sozialen Medien bewegt. Dass es sich hierbei um sogenannte «Hater» handelt, dürfte mittlerweile klar geworden sein. Gemeinhin werden Menschen als «Hater» bezeichnet, die eine starke Abneigung gegen etwas oder jemanden empfinden und diese Abneigung in Wort oder Schrift auch ausdrücken. Insbesondere sind Hater im Internet und in den sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder YouTube verbreitet. Hier können sie im Schutze der Anonymität ihre Kommentare schreiben und veröffentlichen. Als solche müssen sie von Kritikern unterschieden werden, da sie ja nicht daran interessiert sind, mit ihren Statements auf etwas aufmerksam zu machen oder gar einen Missstand auszubessern.

Die vielleicht interessantere Frage ist wohl, wie Betroffene mit Hatern umgehen. Man kann sie einfach ignorieren, die Kommentarfunktion deaktivieren, sich ein dickes Fell zulegen oder zurückposten, pointiert oder sachlich kühl. Alles auch hier immer eine Frage des Stils. Natürlich kann man die Anmerkungen der Hater auch einfach löschen (das geht auf den eigenen Plattformen ja meistens). Gibt sich der Hater allerdings Mühe, loggt er sich mit einem anonymen Account wieder ein. Möglich auch, dass ein sogenannter Hater einfach im Recht ist. Ausschliessen sollte man das jedenfalls nicht. Zu guter Letzt kann man die Kommentare der Hater auch als Kompliment werten, wenn einem das die eigene Bescheidenheit nicht verbietet. Ganz im Sinne von: «Viel Feind, viel Ehr!»

Nicht uninteressant ist in diesem Zusammenhang auch ein Beitrag von Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), die sich auf YouTube am 13. Januar 2021 über eine mögliche Regulierung der Digitalwährung Bitcoin geäussert hat. Wenige Stunden später waren in ihrer Kommentarfunktion alle Postings gelöscht. «The Lady was not amused» und zeigte Nerven. Durch ihren kurzen YouTube-Auftritt und die Löschung der Kommentare wurde insbesondere eines deutlich: Frau Lagarde nimmt den Bitcoin ernst und sieht ihn als Gefahr für die Souveränität der Europäischen Zentralbank. Vor allem wurde dabei auch dem Letzten klar, was die ECB-Präsidentin eigentlich zu vermeiden versucht hat. Eine weitere Schwächung des «Fiat Money» oder der «Fiat Währung» durch ein dezentrales elektronisches Zahlungsmittel wie den Bitcoin. Eingetreten ist genau das Gegenteil: Aus diesem Grund müsste sich eigentlich jeder, der in sozialen Netzwerken Beiträge postete, der Tatsache bewusst sein, dass er zuerst und vor allem über sich selber spricht. Anders ausgedrückt, schreibt der, der auf die Kommentare anderer reagiert, immer auch über sich selbst sowie über seine Befindlichkeit. Mit Sicherheit hat Frau Lagarde den Bitcoin nicht stärken wollen, was für jeden evident sein dürfte, der mit der gängigen Politik der Notenbanken nicht einverstanden ist. Dass sie trotzdem genau das Gegenteil getan hat, zeigt, dass sie kommunikationsstrategisch schlecht beraten war.

Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich