How to Do Things with Words

Du kannst mit Sprache die Welt nicht nur beschreiben, sondern auch verändern. Der britische Philosoph John Langshaw Austin, der eigentliche Begründer der «Sprechakttheorie», hielt in den Fünfzigerjahren an den Universitäten Oxford und Harvard eine Vorlesungsreihe mit dem Titel «How to Do Things with Words». Austin brachte System in die Einsicht, dass wir, indem wir sprechen, die Welt verändern. Wer spricht, der handelt. Zunächst einmal auf offensichtliche Weise, er bringt einen sinnvollen Satz hervor, was Austin einen «lokutionären Akt» nennt. In seiner Theorie der Sprechakte geht es Austin darum zu zeigen, dass sich eine Analyse der Sprache nicht auf Sätze allein beschränken darf, die Sachverhalte beschreiben oder Tatsachen behaupten und damit entweder wahr oder falsch sind. Vielmehr erfüllt die Sprache auch die Funktion, Handlungen auszuführen. Äusserungen, wie «Ich warne dich, der dressierte Kampfhund ist nicht mehr der Leine.» bzw. «Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau», geäussert von einem Standesbeamten, um zwei Menschen zu verheiraten, nennt Austin «performativ», im Gegensatz zu «konstativen» wie «Es schneit.» oder «Es regnet.». In den ersten Vorlesungen argumentiert Austin noch für einen grundlegenden Gegensatz zwischen «konstativen» und «performativen» Äußerungen. Erstere seien wahr oder falsch und beschränkten sich darauf «etwas zu sagen», letztere seien weder wahr noch falsch und nur diese dienten dazu, etwas zu tun (was über das reine Sagen hinausgeht). Der normale Zusammenhang zwischen Sprechen und Handeln wird sodann als Sprechhandlung bezeichnet, womit verdeutlicht wird, dass «Sprechen» eine absichtliche Tat ist. Performativ ist die Sprechhandlung, wenn sie ausgeführt oder konkretisiert wird, wenn man also das tut, was man sagt, oder einen konkreten Entscheidungszeitpunkt nennt. Performativität bezeichnet die Ausführung oder Konkretisierung des gesprochenen Wortes. (Die Schwierigkeit einer klareren terminologischen Abgrenzung gründet im Umstand, dass Phänomene wie «Geist», «Sprache» oder «Vernunft» sich nicht hintergehen lassen, als wären es gewobene Teppiche, deren Webart sich dadurch ausmachen lässt, indem man sie einfach umdreht.)

In gewisser Weise gilt Ludwig Wittgenstein als sprachphilosophischer Wegbereiter der Sprechakttheorie. «Worte sind Taten.» In den 1953 postum veröffentlichten «Philosophischen Untersuchungen» spricht er sich bereits explizit gegen die Theorie aus, dass Wörter generell nur der Benennung von Dingen dienten: «Als ob mit dem Akt des Benennens schon das, was wir weiter tun, gegeben wäre. Als ob es nur Eines gäbe, was heißt: ‘von den Dingen reden.’ Während wir doch das Verschiedenartigste mit unseren Sätzen tun» (PU § 27). Der These von Sprache als «Benennung» und nichts als Benennung stellt Wittgenstein bereits die Idee entgegen, dass « sprechen» auch «Handeln» ist: «Das Wort ‚Sprachspiel‘ soll hier hervorheben, dass das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform» § 23. Als solche «Sprachspiele» nennt Wittgenstein Beispiele wie Befehlen, Bitten oder Danken, die später zum Teil auch von Austin exemplarisch für Sprechakte verwendet werden.

Mithin sagt kein Mensch etwas, nur um die Luft in Schwingung zu versetzen. Indem er etwas sagt, überredet er vielleicht jemanden zu etwas, erschüttert eine Überzeugung, beeindruckt oder beleidigt jemanden. Dass die eigenen Worte Taten sind, ist ein Zeichen von Macht. Nur wer Macht hat, handelt durch Reden. Wenn Staatsoberhäupter Krieg führen, beteiligen sie sich nicht. Sie geben nur Befehle. Sie bestimmen quasi die grobe Richtung, aber den Karren ziehen müssen andere. Wenn Reden kein Handeln wäre, dann wäre nicht viel passiert in der Weltgeschichte.

«Tear down this wall!» ist eine Zeile aus einer Rede von US-Präsident Ronald Reagan in West-Berlin am 12. Juni 1987, welche den Führer der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, dazu aufforderte, die Berliner Mauer zu öffnen, die seit August 1961 West- und Ost-Berlin teilte. Die Rede erhielt relativ wenig Beachtung in den Medien, wie die Zeitschrift «Time» 20 Jahre später berichtet. DDR-Politbüromitglied Günter Schabowski betrachtete die Rede als «absurd», und die sowjetische Nachrichtenagentur TASS beschuldigte Reagan, eine offen provokative, kriegstreibende Rede gehalten zu haben. Ironischerweise war es dann ausgerechnet Schabowski, der die Mauer zweieinhalb Jahre später durch eine Kommunikationspanne oder eine unbedachte Antwort auf einer Pressekonferenz am 9. November 1989 tatsächlich öffnete.

Eine Kommunikationspanne veränderte die Welt

Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich

Bild:
Pieter Bruegels der Ältere: Kleiner Turmbau zu Babel, 1563
Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam