Jetzt schreib schon endlich diese verdammte Maturarbeit!

An Zürcher Gymnasien läuft die Zeit für die Abgabe der Maturitätsarbeit langsam, aber sicher ab. Die im Abschlussjahr zu erstellenden Arbeiten müssen in gedruckten Fassungen bis Mittwoch, 13. Januar 2021 dem Betreuer oder der Betreuerin und der Mediothek abgegeben werden. Viel Zeit bleibt da also nicht, auch wenn der Arbeitsablauf von der Wahl des Themas über die Strukturierung des Arbeitsprozesses bis hin zur Präsentation der Ergebnisse mit der Unterstützung einer Lehrperson erfolgt. Bei der Maturitätsarbeit handelt es sich um eine grössere, schriftlich kommentierte Arbeit zu einem selbst gewählten Thema. Als Abschlussarbeit zeigt sie, dass die Maturandinnen und Maturanden gelernt haben, sich intensiv in ein frei gewähltes Thema zu vertiefen und sich die nötigen Arbeitsmethoden anzueignen.

Gemeinhin wird die Maturaarbeit als Höhepunkt der gymnasialen Laufbahn betrachtet. Als sogenannte Gipfelbesteigung nach vier- oder sechsjährigem Basislager. Oder als Meisterarbeit am Ende der Ausbildung. In der Maturaarbeit kann das ganze in den letzten Jahren erworbene Können eingesetzt und dargeboten werden. Ob beeindruckendes naturwissenschaftliches Know-how, ob minutiöses sprachliches Feingefühl, ob tiefes mathematisches Zahlenverständnis, ob gestalterische, sportliche oder musikalische Genialität – jede Schülerin und jeder Schüler kann zeigen, was er oder sie draufhat. Von Schulseite ist für einmal nur der zeitliche und der formale Rahmen vorgeschrieben – alles andere muss die Maturandin oder der Maturand selber bestimmen und organisieren. Gefragt sind Selbständigkeit und Selbstverantwortung, Reife eben!

Im Grunde handelt es sich um ein Privileg, sich ein halbes Jahr in ein Thema reinzuknien, das einen schon lange interessiert. In der Regel wurden in den Sprachfächern ein gutes Gefühl für Satzbau und Grammatik vermittelt. In der Mathematik und den Naturwissenschaften korrektes experimentelles Vorgehen, die Anwendung von Statistik, das Berechnen von Daten und Resultaten. Im Bildnerischen Gestalten das überzeugende Darstellen und Präsentieren von Inhalten. In der Geschichte und Geographie ein Grundverständnis der Welt und ihrer Gegebenheiten. Klingt gar nicht so schwierig, kann aber zur reinsten Qual werden, wenn Du die Arbeit zum Beispiel falsch aufgegleist hast. Diesen und andere Fehler gilt es also zu vermeiden:

1. Du wählst ein Thema, das Dich nicht wirklich interessiert.
Es ist hart genug, sich monatelang einem Thema zu widmen und 20 Seiten oder mehr damit zu füllen. Wenn Dir dann noch die intrinsische Motivation fehlt, der Fragestellung auf den Grund zu gehen, sind Schreibblockaden und Motivationstiefs vorprogrammiert. Dann helfen auch keine gutgemeinten Schreibtipps mehr.

2. Du wählst Dein Thema zu breit.
20 Seiten mögen Dir viel erscheinen, sind aber für die tiefgehende Bearbeitung einer Fragestellung sehr begrenzt. »Untersuchungen zur Erfolgsgeschichte der Firma Apple« ist zum Beispiel ein viel zu allgemeines Thema. Eingeschränkt auf »Die Webestrategie der Firma Apple « entspricht es schon eher dem Umfang einer Maturitätsarbeit.

3. Du wählst ein Thema, zu dem Du wenig Vorwissen hast.
Ein Thema zur »Symbolik der Texte Franz Kafkas« scheint Dir reizvoll, in letzter Zeit hast Du Dich aber vor allem mit Brechts »Dramentheorie« befasst. Du sparst Dir viel Zeit und Recherche-Aufwand, wenn Du bei Deinen Leisten bleibst. Idealerweise kannst Du mit dem Thema Deiner Maturitätsarbeit sogar an vergangene Hausarbeiten anknüpfen.

4. Du fängst zu spät an.
Sobald Du das Thema mit Deinem Betreuer abgestimmt hast, solltest Du beginnen. Das geht auch, bevor Du Deine Maturaarbeit offiziell anmeldest. Schreibe zu Beginn alles nieder, was Dir zu Deinem Thema einfällt. Leihe Dir gleich die wichtigste Literatur aus. So setzt Du Dich ein wenig selber unter Druck, Dich ins Thema einzulesen.

5. Du machst die Gliederung erst am Schluss.
Eine wissenschaftliche Arbeit bedeutet nicht, alles Relevante zu einem Thema zusammenzuschreiben und dann zu schauen, wie man es am besten in Kapitel einteilen könnte. Vielmehr solltest Du schon zu Beginn eine vorläufige Gliederung schreiben und diese dann Punkt für Punkt ausformulieren. Der grobe Aufbau Deiner Arbeit sollte stehen, bevor Du mit dem eigentlichen Schreiben anfängst. – Freilich brauchst Du hierzu Leitfragen.

6. Du sprichst nicht mit Deinem Betreuer.
Dein Betreuer ist nicht nur dazu da, Dein Thema abzusegnen und das fertige Werk entgegenzunehmen. In regelmässigen Gesprächen kann Dir seine Kritik helfen, Schreibblockaden zu lösen und Deine Arbeit voranzutreiben. Allein schon der Druck, bis zum nächsten Termin vom bisherigen Stand der Arbeit zu berichten, setzt das Reflektieren über Dein Thema und den Schreibprozess in Gang.

7. Du quälst Dich durch Schreibblockaden hindurch.
Wenn Du seit drei Tagen über Deiner Arbeit sitzt und einfach nicht vorankommst, quäle Dich nicht weiter, sondern nimm zwei bis drei Tage frei – nicht um im Internet zu surfen oder bei Netflix abzuhängen, sondern um Freunde in einer anderen Stadt zu treffen, Deine Tante zu besuchen oder Snowboarden zu gehen. Wenn Du danach Dein Geschriebenes noch einmal durchliest, kannst Du mit dem nötigen Abstand weiterschreiben.

8. Du unterschätzt die technischen Details.
Ausser dem eigentlichen Text gehören noch Inhaltsverzeichnis, Fussnoten und Literaturverzeichnis zu Deiner Maturarbeit. Und gerade bei diesen Formalitäten liegt der Teufel im Detail. Du kannst Dir viel zeitraubendes Klicken sparen, wenn Du Dich mit ein paar nützlichen Tools beschäftigst: Mit Formatvorlagen in Word gestaltest Du beispielsweise Überschriften, Zitate und Absätze einheitlich. »Citavi« hilft beim Erstellen des Literaturverzeichnisses und »Latex« erleichtert das Arbeiten mit Formeln.

9. Du vergisst, ein Back-up Deiner Arbeit anzulegen.
Speichere Deine Maturarbeit unbedingt doppelt ab. Viren infizieren Deinen Laptop besonders gerne dann, wenn Du es am wenigsten brauchen kannst. Also speichere Dein vorläufiges Werk nach jeder Schreib-Session an einem anderen Ort als Deinem PC, sei es auf einem USB-Stick oder in einer Cloud.

10. Du lässt die Arbeit nicht Korrektur lesen.
Formale Kriterien werden oftmals unterschätzt, obwohl diese zu wesentlichen Teilen in die Bewertung einfliessen. Dazu gehört eine einheitliche Zitierweise, möglichst keine Rechtschreibfehler und eine durchgängig einheitliche Formatierung. Auch solltest Du die Arbeit unbedingt von jemandem Korrektur lesen lassen, am besten von einem professionellen Lektor. Das bringt die nötigen Zusatzpunkte, damit Dein wissenschaftliches Propädeutikum mit einer guten Note bewertet wird.

Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich