THE MEDIUM IS THE MASSAGE
«The Medium is the Message» ist ein Ausdruck, den der kanadische Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan geprägt hat. Er bedeutet, dass die Art und Weise, wie Informationen übermittelt werden, also das Medium, oft genauso wichtig oder sogar wichtiger ist als der eigentliche Inhalt der Botschaft. McLuhan argumentierte, dass das Medium selbst eine Form von Kommunikation ist und die Wahrnehmung, das Verständnis und die Auswirkungen einer Botschaft beeinflusst. Beispielsweise kann die gleiche Nachricht, wenn sie über verschiedene Medien wie Fernsehen, Radio oder Social Media verbreitet wird, unterschiedlich wahrgenommen werden und verschiedene Reaktionen hervorrufen, einfach aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften dieser Medien.
Marshall McLuhans Deutung der modernen Medien, seine 1967 veröffentlichte Untersuchung «The Medium is the Massage: An Inventory of Effects», ist sein meistverkauftes Werk, von dem annähernd eine Million Exemplare über den Ladentisch gingen. McLuhan adaptierte nach einem Druckfehler den Begriff «Massage», um die Effekte eines Mediums zu beschreiben, welches das menschliche Sensorium massiert (dt: Das Medium ist die Massage: Eine Bestandsaufnahme der Auswirkungen). De facto war der Titel ursprünglich die Folge eines Druckfehlers. Als das Buch vom Schriftsetzer zurückkam, lautete der Titel anstelle des ursprünglich beabsichtigten «The Medium is the Message» (Das Medium ist die Botschaft) nun «The Medium is the Massage» (Das Medium ist die Massage). Der Schriftsetzer hatte das «e» mit dem «a» verwechselt. Als McLuhan die Schreibweise sah, rief er aus: «Lasst es so! Es ist grossartig und genau richtig.»
Als Hauptaussage meint der Ausspruch, dass jedes Medium das menschliche Sensorium unterschiedlich massiert oder beeinflusst. Medien sind somit Erweiterungen unserer menschlichen Sinne, des Körpers und des Geistes. Im letzten Teil seiner Abhandlung beschreibt McLuhan Veränderungen in der Art, wie Menschen die Welt wahrnehmen und die Veränderungen dieser Wahrnehmungsweisen durch neue Medien. So neigen, um ein aktuelles Beispiel zu zitieren, die elektronischen Medien zur Verkürzung der Argumente, da praktisch jede und jeder Botschaften unendlich oft abändern, verkürzen und vervielfältigen kann. Aus diesem Grund unterliegen viele auch der Versuchung, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen, solange die Aussage nur ihr Narrativ befeuert. Dies lässt einsehen, warum wir heute von «Fake News» sprechen, Nachrichten, die bewusst so gedreht und gewendet werden, bis sie mit dem Opportunitätsstreben des Senders übereinstimmen. Entsprechend antwortet der naive Primaner, wenn er gefragt wird, ob er seine Thesen auch belegen könne: «Ich habe es aus dem Internet.» Das Internet ist für ihn gleichsam DIE AUTORITÄT, der er blind vertrauen kann, da er noch nicht gelernt hat, die Qualität einer Quelle auch zu überprüfen. Neue Technologien, vor allem auf dem Feld der Massenkommunikation, bewirken, unabhängig von ihren Inhalten, eine Veränderung der Wahrnehmung und des Denkens. Sie stellen neue Wirklichkeiten her. Heute zumeist in digitaler Form. Im Sinne McLuhans formen wir so unser Werkzeug und danach formt unser Werkzeug uns. Nicht die Inhalte bestimmen die Medien, sondern die Form strukturiert die Inhalte. Medien sind daher keine neutralen Werkzeuge, sondern prägen die Gesellschaft, indem sie die Form des menschlichen Zusammenlebens gestalten und steuern. Kein Wunder, dass sich in der Folge der Inhalt der Verpackung anpasst, was wohl auch der Hauptgrund ist, warum «Instagram», ein soziales Netzwerk mit Fokus auf Video- und Foto-Sharing, eine deutlich grössere Resonanz erzielt wie sein grosser Bruder «Facebook». Andererseits erzielt das Videoportal «TikTok» die nochmals grössere Reichweite als «Instagram», weil die Beiträge auf diesem Portal nochmals kürzer zu halten sind. Seit der Gründung gehört «TikTok» zu den am schnellsten sich verbreitenden mobilen Apps der Welt und wurde führende Kurzvideo-Plattform in Asien mit der weltweit grössten Playback-Videogemeinde.
Wenn Politikerinnen und Politiker deshalb in schwierigen Zeiten digitale Plattformen und Technologien benutzen, um Inhalte zu erstellen und zu teilen, haben sie meistens schon verloren, ausser sie sind sich der kommunikationstechnologischen Risiken dieser neuen Medien bewusst. Wir leben eben nicht mehr in den guten alten Zeiten von ARD und ZDF. Auf die Frage, wie Helmut Schmidt mit gegenwärtigen Krisen umgegangen wäre, gab der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück passend zur Antwort: «Als erstes hätte er sich nicht in einer Talkshow erklärt. Sondern er hätte nach der Tagesschau um 20:15 und nach den Heute-Nachrichten eine Ansprache an die deutsche Bevölkerung gehalten. Er hätte dort deutlich zu machen versucht, wie er die Lage sieht und was er an politischen Massnahmen für möglich hält. Und ich glaube, dass er sehr zurückhaltend gewesen wäre, einfach nur zu sagen: Wir schaffen das.»
Heute gewinnt man demgegenüber den Eindruck, Politikerinnen und Politiker würden sich vornehmlich in Talkshows erklären oder aber auf X wie die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses bzw. auf TikTok wie der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Dass eine solche Kommunikationsstrategie zurzeit den öffentlichen Diskurs nicht stärkt, sondern lediglich Verwirrung stiftet, lässt sich an den nicht-deaktivierbaren Kommentaren zu den Postings ablesen. Wie dünnhäutig Politikerinnen und Politiker gegenwärtig reagieren, zeigt der jüngste Fall einer Strafanzeige gegen eine Rentnerin, die sich erdreistet hat, eine Politikerin als «Kriegstreiberin» zu bezeichnen. Dass es erst so weit hat kommen müssen, beschäftigt die Rentnerin trotz Freispruch auch noch im Nachhinein. Der Umstand, dass ein Schweizer Wochenmagazin die Sache publik machte, zeigt einmal mehr, dass viele deutsche Politiker in ihrer kommunikativen Selbstvergessenheit das Narrativ verloren haben.
Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich