WARUM DU SO NICHTS AUF DIE REIHE BRINGST

Bekanntlich sind alle traditionell bekannten Schreibtypen für sich erfolgreich. Wichtig ist, beim Schreiben Strategien anzuwenden, die zum eigenen inneren Schreiber passen. Wer seinen inneren Schreiber kennt, kann besser entscheiden, welche Strategien auf dem Weg zum fertigen Text weiterhelfen. Allerdings ist nicht jede der Strategien immer gleich zielführend: Wenn in kurzer Zeit ein gut strukturierter Text geschrieben werden muss, dauert das Patchwork-Schreiben zu lange oder führt das Drauflos-Schreiben nicht zügig genug zum Kern des Themas, vor allem für Schreibende mit wenig Routine. Daher ist es empfehlenswert, gelegentlich auch solche Strategien auszuprobieren, die einem anfangs widerstreben und auf den ersten Blick nicht ganz dem eigenen Schreibtyp entsprechen. Dadurch erweitert sich das eigene Schreib- oder Handlungsrepertoire. Wie man beim Schreiben am besten vorgeht, lässt sich mittels Kenntnis des eigenen inneren Schreibers deutlich bewusster und gewinnbringender entscheiden als ohne dieses Wissen über sich selbst. Und die Fähigkeit, das eigene Schreiben aktiv voranzubringen und zu steuern, wird dann umso wichtiger, wenn es in Hausarbeiten darum geht, nicht nur Erkenntnisse anderer Wissenschaftler zusammenzufassen und aneinanderzureihen, sondern bestehendes Wissen zu erweitern und ein Thema unter einer eigenen Perspektive zu diskutieren, kurz: eine eigene Stimme als Autorin und Autor wissenschaftlicher Arbeiten zu entwickeln.

Gleiches gilt, freilich mit umgekehrten Vorzeichen, für Menschen, die Tätigkeiten häufig aufschieben. Auch sie haben bestimmte Strategien entwickelt, um erst gar nicht in die Gänge zu kommen. Wären Sie sich der Tatsachen bewusst, warum sie so häufig an zu erledigenden Aufgaben scheitern, fiele es ihnen vermutlich leichter zu erkennen, warum sie auch dieses Mal die Steuern wieder nicht fristgerecht einreichen, die Seminararbeit zu spät dem Professor abgeben oder es wieder einmal versäumt haben, sich rechtzeitig auf den nächsten Mathematik-Test vorzubereiten.

Wissenschaftler um Manfred Beutel von der Universitätsmedizin Mainz haben in einer gross angelegten Studie herausgefunden, dass Prokrastination ein erlerntes Verhalten ist, das unmittelbar durch Vermeidung unangenehmer Tätigkeiten verstärkt wird. Warum bestimmte Tätigkeiten negative Gefühle hervorrufen, wird von den Betroffenen indessen viel zu wenig hinterfragt. Leistungsanforderungen sind häufig mit Versagensängsten verbunden, eigene Leistungsansprüche sind möglicherweise zu hochgesteckt und Zielsetzungen unrealistisch. Ersatzhandlungen oder Vermeidungsstrategien wie Medienkonsum haben zum Beispiel häufig unmittelbar positive Konsequenzen. Nachteilige negative Konsequenzen wie Versagen, Depression oder Einsamkeit treten erst im Nachhinein auf und sind damit nicht unmittelbar, dafür langfristig verhaltensbestimmend.

Hast Du Dein Prokrastination-Verhalten bereits erkannt? Wenn nicht, so entdecke einige Facetten Deiner Aufschieberitis in der folgenden Typologie. Natürlich soll diese nicht nur auf Fehler hinweisen, sondern einen positiven Effekt haben. Deswegen findest Du zu jedem Typ die passende Notlösung, falls wieder einmal akute Prokrastination-Gefahr besteht.

A) DER MESSIE WIRD ZUM SAUBERMANN
Für gewöhnlich stapeln sich Zeitungen, leere Teetassen, Rechnungen, Akten und Arbeitsunterlagen auf Deinem Schreibtisch. Kein Problem für Dich. Ja, vielleicht findest Du das Chaos noch ganz gemütlich. Kommt allerdings eine wichtige Deadline auf Dich zu, so packt Dich die Ordnungswut. Plötzlich muss der Schreibtisch oder die Wohnung blitzblank sein, bevor Du loslegen kannst. Deine STANDARDAUSREDE lautet: »Zuerst muss ich noch die Küche aufräumen, die Rechnungen ordnen und den PC entrümpeln, doch dann fang ich wirklich an.«

WARUM?
Du fühlst Dich überfordert und hast das Bedürfnis, Ordnung zu schaffen, denn Du weisst nicht, wo Du anfangen sollst.

WAS TUN?
Zerlege grosse Aufgaben in kleine. Im Grunde verhält es sich wie mit dem physikalischen Gesetz der Trägheit: Ist ein schwerer Körper in Bewegung, wird es leichter, ihn in Fahrt zu halten. Oder wie es in einem chinesischen Sprichwort heisst: »Auch die längste Reise beginnt mit einem einzelnen Schritt.« Beginne darum mit kleinen Schritten.

B) VOM PHLEGMA ZUR PANIK
Anfangs bist Du noch ganz gelassen. Die Deadline liegt in weiter Ferne. Du hast genügend Zeit für alles, vor allem um Dich angenehmeren Dingen zu widmen. Kurz vor knapp fällt Dir ein, dass da noch eine Aufgabe offen ist. Jetzt erst wird Dir bewusst, wie viel Zeit Du untätig hast verstreichen lassen und Du gerätst in Panik. Du verrennst Dich so sehr in Deine Panik, dass Du Dich verhedderst oder Dir selbst im Weg stehst. Zu guter Letzt bist Du unzufrieden mit dem Ergebnis Deiner Arbeit. Deine STANDARDAUSREDE: «Das hat noch Zeit.»

WARUM?
Als Panikmacher hast Du ein schlechtes Zeitmanagement. Du schaffst es einfach nicht, die Arbeitszeit sinnvoll einzuteilen. Oft unterschätzt Du auch den Arbeitsaufwand einer Aufgabe.

WAS TUN?
Setze Prioritäten. Entscheide, was wichtig und dringend ist und was noch Zeit hat oder delegiert werden kann. Die Eisenhower-Methode eignet sich dafür besonders gut. (Das sogenannte Eisenhower-Prinzip, auch Eisenhower-Matrix genannt, ist eine Möglichkeit, anstehende Aufgaben in Kategorien einzuteilen. Ziel ist, die wichtigsten Aufgaben zuerst zu erledigen; Unwichtiges wird aussortiert.)

C) DER MULTITASKER
Am liebsten arbeitest Du an mehreren Aufgaben gleichzeitig. Diese Mehrfachperformanz ist zwar im Schwang, zielführend ist sie jedoch nicht. Du fängst eine Sache an, hast dann einen Einfall zu etwas ganz anderem, um Dich schliesslich dieser Aufgabe zu widmen. Zum Schluss hast Du lauter begonnene Aufgaben vor Dir, doch keine ist beendet. Deine STANDARDAUSREDE: «Mir fällt etwas ein.»

WARUM?
Dir ist schnell langweilig, und Du kannst Dich schlecht konzentrieren. Kommst Du an einem Punkt nicht weiter, gibst Du auf und wendest Dich etwas Neuem zu.

WAS TUN?
Konzentriere Dich auf das, was Du gerade tust. Studien haben festgestellt, dass insbesondere Schüler und Studenten sich genauso oft selbst ablenken, wie sie unterbrochen werden. Zwinge Dich daher, Dich auf die aktuelle Aufgabe zu konzentrieren, statt in Gedanken schon bei der nächsten zu sein.

D) DER INTERNET-JUNKIE
Du bist ständig online, wenn nicht am PC, dann am Smartphone. Alle paar Minuten checkst Du den Messenger oder WhatsApp. Du prüfst, was in den sozialen Netzwerken los ist und ziehst Dir YouTube-Clips rein. Das machst Du nebenbei, während Du eigentlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt bist. Ohne es zu merken, vertrödelst Du damit Stunden Deiner Zeit und schwächst schlimmstenfalls Deine Aufmerksamkeitsspanne. Deine STANDARDAUSREDE: «Nur rasch checken, was auf Instagram los ist.»

WARUM?
Den unendlichen Versuchungen des Internets kannst Du nicht widerstehen. Die Angst, etwas zu verpassen, wie auch die Sorge, nicht auf dem Laufenden zu sein, zwingen Dich dazu, immer online zu sein. Selbstverständlich weisst Du, dass Du im Grunde nichts verpassen kannst. Entscheidend ist jedoch das bohrende Gefühl, etwas verpasst zu haben. – (FEAR OF MISSING OUT.)

WAS TUN?
Begrenze Deine Zeit in sozialen Netzwerken, in denen Du nur die Timeline checkst und Videos schaust. Wichtige Aufgaben, die viel Konzentration erfordern, solltest Du offline erledigen. So erliegst Du nicht der Versuchung, auf scheinbar interessante Beiträge zu stossen und Dich treiben zu lassen. (Im Hinblick auf Deine Mails gibt es im Übrigen bereits eine sogenannte Slow-E-Mail-Bewegung. Deren Anhänger öffnen ihre Post nur noch zweimal am Tag.)

Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich

Bild: David Parker: Sometimes, the way I feel: So much to do, but no desire to do it. #doing #procrastinating

@davidparkerthemoreyoudo·I am the author of The More You Do The Better You Feel: How to Overcome Procrastination and Live a Happier Life. I wish you a better life!