LETZTE BESTE TIPPS FÜR DIE #PROBEZEIT

Jeder fünfte, der nach den Sommerferien ein Zürcher Gymnasium betreten hat, wird im März nächsten Jahres durch die Probezeit gefallen sein. Je nach Gymnasium kann dieser Wert aber auch höher oder tiefer ausfallen. Betroffen sind vor allem Schüler, die von der Sekundarschule ans Gymnasium gewechselt haben. Weshalb die Durchfallquoten an den verschiedenen Gymnasien unterschiedlich ausfallen, ist nicht klar. Zwar zeigt sich, dass Schüler aus fremdsprachigen Familien öfters durchfallen, dies erklärt aber nicht, wieso die Ausfallquote beispielsweise in der Gemeinde Uster so stark angestiegen ist. Viel eher scheint das Problem beim Mathe-Unterricht zu liegen. Vor allem Sekundarschüler haben Probleme mit dem Anschluss. In Uster zeigt sich, dass beinahe 40 Prozent aller Schüler im letzten Jahr in der Probezeit ungenügende Noten in Mathematik hatten. Das Problem ergibt sich, da in Uster Sekundarschüler, die ans Gymnasium wechseln, mit Gymischülern aus dem Langzeitgymnasium vermischt werden. Das Mathe-Problem zeigt sich aber auch in anderen Gymnasien. In der Sekundarschule wird Algebra weniger routinemässig geübt, so dass es Schülern, die ins Gymi gewechselt haben, schwerfällt, den Anschluss zu finden. Problematisch sei die hohe Durchfallquote in Uster aber nicht, meint der Chef des kantonalen Mittelschulamts, Niklaus Schatzmann. Er glaubt viel eher, dass es sich aufgrund der geringen Schülerzahl dort um einen statistischen Ausreisser handelt. Die Kantonsschule Enge steht hingegen vor einem Rätsel. Dort lässt sich die hohe Durchfallquote nicht erklären, zumal Schülerinnen und Schüler angeben, sich nicht vom Schulstoff überfordert zu fühlen. Daher hat die Schulleitung nun beschlossen, verschiedene Massnahmen auszuprobieren, um herauszufinden, wo das Problem liegen könnte. Vorbildlich zeigt sich das Gymnasium Zürich Nord. Im Kurzgymi wurde nach der Aufnahmeprüfung ein Algebra-Training eingeführt. Im Langgymnasium gibt es Hausaufgabenstunden für Kinder, die zu Hause keinen ruhigen Arbeitsplatz haben. Ausserdem wird sichergestellt, dass die Klassenlehrer bereits während des Semesters über die Noten ihrer Schüler informiert bleiben und diese nicht erst Ende Dezember zum ersten Mal erfahren. Auffallend ist, dass die Ausfallquoten in den Langzeitgymnasien ähnlicher verteilt sind als in den Kurzzeitgymnasien und grundsätzlich tiefer liegen. Der Rektor der Hohen Promenade nimmt an, dass dies mit einer Verbesserung der Aufnahmeprüfung zusammenhängt. Deshalb müsse während der Probezeit weniger selektiert werden. Letzteres ist allerdings insofern in Zweifel zu ziehen, als im Grunde immer gleich viele Schüler aufgenommen werden. Genauer: Es können nicht mehr Schüler aufgenommen werden, als es Platz hat. Mach Dir also keine Sorgen, wenn Du gerade jetzt eine Probezeit absolvierst. Mittelschulen kochen auch nur mit Wasser! Und es ist nicht im Interesse der Schule, möglichst viele Schüler rauszuschmeissen. Andernfalls hätten viele Lehrer keine Schüler mehr, was natürlich unbedingt vermieden werden muss. Mithin wird sich, was die Zahlen anbelangt, alles in etwa im Gleichgewicht halten. Trotzdem kann es nicht schaden, wenn Du einige meiner Tipps zur Kenntnis nimmst; schliesslich habe ich oft genug Schülerinnen und Schüler fallieren gesehen, die bei etwas schlauerem Vorgehen hätten bestehen müssen.

1) AM BALL BLEIBEN
Vor allem in Fächern wie Mathematik und Physik ist das wichtig. Das heisst: Du musst zu Hause aufarbeiten, wenn etwas nicht klar ist, so dass Du in der nächsten Stunde dem Unterricht wieder folgen kannst. Auch das Erledigen der Hausaufgaben in diesen Fächern ist wichtig. Hausaufgaben sind keine Beschäftigungstherapie! Sie helfen Dir, den Stoff zu vertiefen. Beim Lösen der Hausaufgaben siehst Du auch, ob Du den Stoff wirklich verstanden hast. Wenn nicht, kannst Du allfällige Unklarheiten sofort angehen. Andernfalls verlierst Du bereits am Anfang der nächsten Stunde den Anschluss, wenn die neuen Aufgaben besprochen werden. Das gilt freilich für die ganze Zeit am Gymnasium, und nicht nur für die Probezeit. Mit anderen Worten ist die Probezeit mit Sicherheit nicht schwieriger als der Rest der Schulzeit, auch wenn zuweilen Kandidatinnen und Kandidaten dem Irrtum unterliegen, dass sie bei bestandener Probezeit bereits reif für die Matura sind.

2) ZUHÖREN
Wenn Du aktiv zuhörst, wird der Unterricht spannender und Du musst zu Hause weniger lernen, um Dich für Prüfungen vorzubereiten. Folgende zwei Arten des Zuhörens solltest Du vermeiden, weil sie nichts bringen:

A) Das bequeme Zuhören
Wie unter der Dusche lassen manche Schüler die Sätze der Lehrpersonen an sich herunterrieseln. Hoffen sie, dass vielleicht etwas hängen bleibt? Mitschreiben halten sie nicht für nötig. Tatsache ist, dass Du nicht aktiv zuhören kannst, wenn Du Dich zu stark zurücklehnst. Wer nichts aufschreibt, weiss später nicht mehr, was in der Lektion erörtert wurde.

B) Sich zu jedem Detail Notizen machen
Andererseits hat es auch keinen Sinn, wenn Du Dir zu jedem Detail Notizen machst. Aus Angst, sie könnten etwas verpassen, kritzeln solche Schüler arbeitswütig Seite für Seite voll. Damit sind sie aber so stark beschäftigt, dass sie dem Inhalt des Gesagten nicht mehr folgen können. Es ist also nicht entscheidend, wie viele Seiten Notizen Du schreibst. Besser ist, nur das Wichtigste zu verstehen und zu notieren.

3) LERNEN
Durch vorausschauendes Lernen in dosierten Portionen kannst Du Zeitdruck und Panik vor Prüfungen vermeiden. Dabei bewährt es sich, die Lernaufträge frühzeitig in kleinen Portionen zu erledigen und nach etwa 40 Minuten Lernzeit eine kleine Pause einzulegen. Anschliessend kann man eine weitere schulische Aufgabe für ein anderes Fach in Angriff nehmen. Am Vortag einer Prüfung stundenlang den Stoff zu pauken, ist nicht nachhaltig, aber häufig eine Art von Notlösung der Jugendlichen. Dabei werden zu oft aufgrund des akuten Zeitdrucks aktuelle Hausaufgaben verdrängt, was negative Rückmeldungen der Lehrpersonen zur Folge hat und stoffliche Lücken verursacht. – Dringend solltest Du Dich beim Lernen von elektronischen Geräten, vor allem von Smartphones, fernhalten. Am besten befinden sich die Geräte auch nicht in der Hosentasche oder auf dem Schreibtisch. Ansonsten bist Du ständig versucht, einen Blick darauf zu werfen und vielleicht doch noch schnell eine Nachricht zu schreiben.

4) PRÜFUNGSVORBEREITUNG
In der Probezeit schreibst Du etwa gleich viele Prüfungen, wie Du Lektionen hast. Also sind die Prüfungsvorbereitungen von entscheidender Bedeutung, zumal die Noten aus den Prüfungen die Grundlage für das Bestehen der Probezeit bilden. Da die Lehrer nur den Stoff prüfen können, den sie zuvor vermittelt haben, wirst Du im zweiten Teil der Probezeit deutlich mehr Prüfungen schreiben als im ersten. Merk Dir das gut!
• Klär als erstes ab, was geprüft wird. Ohne dass Du den Umfang des Prüfungsstoffs kennst, kannst Du keinen Erfolg haben in der Probezeit.
• Finde heraus, was Du bereits über das Prüfungsthema weisst. Welche Inhalte beherrschst Du vollständig? Welche nur teilweise? Welche noch gar nicht?
• Falls möglich, besorg Dir frühere Prüfungen aus oberen Klassen. Dann bekommst Du einen Eindruck davon, welche Art von Fragen gestellt werden könnten.
• Lass Dich kurz vor der Prüfung von den anderen nicht nervös machen. Such Dir einen ruhigen Ort und denk an etwas, das Dir Freude macht.

5) DAS BLACKOUT
Alle sind fleissig am Schreiben. Nichts ist zu hören, ausser dem Kratzen der Stifte auf dem Papier. Nur Dir will einfach nichts einfallen! Zu Hause war der Stoff noch da. Und kaum sitzt Du vor der Prüfung, ist alles weg! Auch wenn Du gut vorbereitet bist, kann es vorkommen, dass Dich Dein Gedächtnis im Stich lässt. Dieser Gedächtnisverlust wird Aussetzer oder Blackout genannt. Diese zwei Tipps beruhigen Dich. Bist Du ruhig, wirst Du Dich wahrscheinlich auch wieder an den Prüfungsstoff erinnern.

A) Bei richtiger Atmung können sich Körper und Geist entspannen. Setzte Dich gerade und bequem hin, richte den Oberkörper auf und atme einige Male langsam ein und aus.

B) Schliesse für eine Minute die Augen. Verlasse in Gedanken den Prüfungsraum. Konzentriere Dich auf etwas anderes. Denk an etwas, das Dir guttut. Befindest Du Dich in einer mündlichen Prüfungssituation, tu Folgendes: Leg eine Sprechpause ein. Fasse danach das bereits Gesagte nochmals zusammen. Sprich langsam. So findest Du den Anschluss an das Thema wieder. Oder sage ganz offen: «Ich habe den Faden verloren, wer gibt mir ein Stichwort?» Negative Gedanken können ein Blackout auslösen. Angst machende Gedanken haben in Deinem Gehirn nichts zu suchen. Vermeide daher negative Gedanken oder selbsterfüllende Prophezeiungen wie «Ich darf keinen Fehler machen», «Ich weiss es nicht». – Eine selbsterfüllende Prophezeiung ist eine Vorhersage, die über direkte oder indirekte Mechanismen ihre Erfüllung selbst bewirkt. Ein wesentlicher Mechanismus ist, dass diejenigen, die an die Vorhersage glauben, sich so verhalten, dass sie sich erfüllt. Wenn Du Dir daher vor der Prüfung einredest, ein BLACKOUT zu haben, ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein solches auch tatsächlich eintritt. Denke stattdessen: «Ich bin gut vorbereitet, ich kann es. Etwas fällt mir sicher ein».

Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich

Bild:
Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Konstanz, Erbauungsjahr 1903. Auf der linken Seite sind Kopf und Name von Humboldt, auf der rechten Seite von Goethe.
By: Joachim Kohler, Bremen
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alexander-von-Humboldt-Gymnasium_in_Konstanz_(2018).jpg