NIE WIEDER SPRACHLOS

Ein Beispiel aus früheren Tagen. Eine elegante Dame wird von einem jungen Mann gefragt, ob sie mit ihm tanzen wolle? Die Frau antwortete herablassend mit den Worten: «Ich tanze nicht mit einem Kind», worauf der Mann zur Antwort gibt: «Ich wusste nicht, dass Sie in anderen Umständen sind.»

Ein anderes Beispiel ist das des britischen Premier Winston Churchill: Lady Astor attackierte ihn mit der Aussage: «Wenn ich Ihre Frau wäre, würde ich Ihnen Gift in den Kaffee mischen.» Darauf Churchill: «Wenn ich Ihr Mann wäre, würde ich diesen Kaffee trinken!«

Als König der Schlagfertigkeit gilt wohl Jordan Peterson, ein kanadischer Professor für klinische Psychologie und Sachbuchautor. Peterson lehrt an der University of Toronto und veröffentlichte 2018 den Lebensratgeber «12 Rules for Life», der zum internationalen Bestseller wurde. Im Rahmen der «Munk Debates», einem Podium für zeitgeschichtliche Diskussionen, wurde Peterson von Michael Eric Dyson, Autor des «New York Time»-Bestsellers «Tears We Cannot Stop: A Sermon to White America», beschuldigt, «ein böser, wütender, weisser Mann zu sein.» («You are a mean, mad, white man.»)

Peterson gelingt es, in drei Schritten diese Beleidigung zu entkräften. «Zu sagen, ich sei von Grund auf ein böser, weisser Mann ist eine echte Frechheit, vor allem in einer Debatte.» Was passiert, wenn Du so etwas einfach ansprichst? Es bleibt nicht stehen und allen wird klar, was eben gesagt wurde. Würde Peterson die Aussage einfach ignorieren, bliebe etwas an ihm hängen und es könnte häufiger vorkommen. Indem er ausserdem sagt, dass das der Situation nicht würdig ist, zieht er die Zuhörer auf seine Seite, denn schliesslich wollen alle der Situation würdig erscheinen. Peterson zieht mit anderen Worten eine rote Linie, indem er den Sachverhalt öffentlich anspricht.

In einem zweiten Schritt fährt er fort, es sei zwar denkbar, dass er ein böser Mann sei. Vielleicht sei er schlimmer als einige und nicht so schlimm wie andere, das treffe es wohl eher. Petersons Überraschungsangriff besteht also darin, dass er der Beleidigung zustimmt, was keiner erwartet, dann jedoch abschwächt. Damit demonstriert er Selbstbewusstsein, denn er bringt zum Ausdruck, dass er die realistischere Perspektive wie sein Gegenüber einnimmt und so die Oberhand gewinnt. Hätte er den Vorwurf abgestritten, wäre er in der Opferrolle verharrt. So besehen, besteht die Bedeutung von Schlagfertigkeit auch darin, schnell und passend mit witzigen Worten auf eine Aussage zu reagieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand eine neckische Bemerkung über Dich gemacht hat oder wie im vorliegenden Fall wirklich verletzend war: Schlagfertigkeit löst unangenehme Situationen auf und erlaubt in gewissem Sinne eine Fortführung der Kommunikation, nur dass man selbst nicht mehr Opfer ist.

Drittens nutzt Peterson den Umstand, dass der Angriff nicht dem Image seines Gegenübers entspricht. «Dass Rasse in den Kommentar geschleift wurde», fährt Peterson fort, «ist ein besseres Beispiel dafür, was falsch mit den politisch-korrekten Linken ist als alles andere, was hier hätte passieren können!» Damit meint er, dass die Äusserungen seines Gegenübers überhaupt nicht zu dessen Selbstbild passen, ja einen völligen Widerspruch zu dem darstellen, wie er sich gerne öffentlich darstellt. Dadurch setzt er die andere Person schachmatt, weil sie für alle unglaubwürdig wird. Jemand, der Respekt predigt, sollte andere nicht wegen ihrer Rasse herabsetzen, denn wie soll man so jemandem dann noch vertrauen?

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Schlagfertigkeit selbstredend nichts mit destruktiv aggressivem Verhalten zu tun hat. Schlagfertigkeit ist vielmehr ein «Kontern» wie im Fussball oder beim Boxen. So liess Muhammad Ali 1974 in Kinshasa George Foreman während sieben Runden angreifen, bevor er kurz vor der achten den inzwischen gezeichneten Foreman mit einer Kombination von fünf Schlägen binnen weniger Sekunden k.o. schlägt. Und Jürgen Klopp hat als Fussball-Trainer des FC Liverpool ein System entwickelt, in dem er mit möglichst wenig Ballbesitz ein Spiel zu gewinnen versucht. Das heisst, er versucht im Sinne eines Umschalt-Systems den Gegner in einen «Konter» laufen zu lassen. In diesem Sinne gilt denn auch jemand als schlagfertig, der auf einen unerwarteten Angriff in Form einer Frage oder Beleidigung treffend und witzig reagieren kann. Schlagfertigkeit kann das Gegenüber oder das Publikum überraschen, aber auch den schlagfertigen Sprecher selbst, der ja spontan, ohne Möglichkeit der Reflexion reagiert. Folgt man Niklas Luhmann, ergibt sich durch eine Überraschung eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die laufende Kommunikation fortgesetzt wird. Schlagfertigkeit kann deshalb ein besonders gutes Beispiel für die gelungene Kommunikation sein, da es wider Erwarten gelingt, was durch eine Invektive eigentlich unterbunden werden sollte. Der Angegriffene lenkt die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf sich und schafft Anschluss in einer Situation, die nicht auf Anschlussfähigkeit hin angelegt ist. Eine schlagfertige Bemerkung wäre in diesem Sinne keine «Pointe», auf die eine Dramaturgie zuläuft, sondern eine Reaktion auf Ereignisse, die ansonsten die Kommunikation stoppen könnten, eine Art «Notschalter», wenn man so will, damit die Kommunikation oder der Diskurs weiterläuft.

Michael Eric Dyson Jordan Peterson Monk Debate
12:01 – 13:37

Bild:
Muhammad Ali in: «When We Were Kings»

Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich