#Steven Pinkers Sprachtheorie

Das Sprachkonzept von Steven Pinker, einem US-amerikanischen Experimentalpsychologen und Linguisten der Harvard University, basiert auf der Idee, dass Sprache ein angeborenes Merkmal des menschlichen Geistes ist. Pinker argumentiert, dass Sprache nicht nur ein Kommunikationsmittel ist, sondern auch Einblicke in die menschliche Natur gewährt. Seine umfangreiche Sprachauffassung basiert auf einer Vielzahl von Erkenntnissen aus den Bereichen Linguistik, Kognitionswissenschaft und Evolutionstheorie, umfasst also verschiedene Aspekte der menschlichen Sprache. Pinker betont dabei, dass seine Aussagen nicht bedeuten, dass Sprache und Denken vollständig determiniert sind oder dass es keine individuellen Unterschiede gibt. Er anerkennt, dass es kulturelle und individuelle Variationen in der Sprache und im Denken gibt, betont jedoch gleichzeitig die universellen Merkmale und kognitiven Grundlagen, die allen Menschen gemeinsam sind.

1) Ein zentrales Element von Pinkers Sprachkonzept ist die Annahme, dass Sprache (so wie bei Noam Chomsky) eine angeborene Fähigkeit des Menschen ist. Er argumentiert, dass Sprache nicht nur ein kulturelles Phänomen ist, sondern auch auf biologischen Grundlagen beruht. Pinker vertritt die Überzeugung, dass wir über genetisch verankerte kognitive Fähigkeiten verfügen, die es uns ermöglichen, Sprache zu erwerben und zu verwenden. Dieser Standpunkt steht im Gegensatz zur Auffassung, dass Sprache ausschließlich durch Umwelt- und Lernerfahrungen erworben wird.

2) Pinker stützt seine Argumentation auf Forschungen aus verschiedenen Bereichen. Zum einen betrachtet er die Linguistik und analysiert die Struktur der Sprache. Er untersucht grammatische Regeln, syntaktische Strukturen und die Art und Weise, wie Sätze gebildet werden. Pinker argumentiert, dass die Struktur der Sprache auf kognitiven Prinzipien beruht und dass die Grammatik der Sprache Teil unserer angeborenen kognitiven Fähigkeiten ist. Dieses Konzept wird als Universalgrammatik bezeichnet. Pinker geht davon aus, dass alle menschlichen Sprachen auf gemeinsamen kognitiven Strukturen basieren und dass Kinder eine sprachliche Umgebung nutzen, um diese angeborenen Regeln zu aktivieren und die Sprache zu erlernen.

3) Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Betonung der Rolle von Sprache bei der Beeinflussung unserer Denkprozesse und Kognition. Sprache ermöglicht es uns, komplexe Konzepte zu formulieren, abstrakte Ideen zu vermitteln und unsere Erfahrungen zu reflektieren. Pinker argumentiert, dass Sprache unsere Wahrnehmung der Welt strukturiert und unser Denken prägt. Indem wir uns in Sprache ausdrücken, entwickeln wir auch unser Denken weiter. Pinker untersucht daher die Beziehung zwischen Sprache und Kognition und wie sie sich gegenseitig beeinflussen.

4) Darüber hinaus hat Pinker das Konzept des Spracherwerbs bei Kindern ausführlich erforscht. Er betont, dass Kinder in der Lage sind, Sprache aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten schnell und effizient zu erwerben. Pinker argumentiert, dass dies aufgrund der strukturierten Natur der Sprache und der vorhandenen angeborenen kognitiven Fähigkeiten möglich ist. Er untersucht den Prozess des Spracherwerbs bei Kindern, wie sie Vokabeln lernen, Grammatikregeln verstehen und sprachliche Ausdrucksfähigkeit entwickeln. Pinker analysiert auch Phänomene wie den Spracherwerb bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen.

Das Sprachkonzept von Steven Pinker und das von Noam Chomsky weisen Gemeinsamkeiten auf, sind aber auch in einigen Aspekten verschieden. Beide sind renommierte Linguisten und haben wichtige Beiträge zur Erforschung der menschlichen Sprache geleistet.

1) Ein zentraler Aspekt, in dem sich Pinker und Chomsky einig sind, ist die Annahme, dass Sprache auf angeborenen kognitiven Fähigkeiten beruht. Sowohl Pinker als auch Chomsky gehen davon aus, dass der Mensch eine genetische Veranlagung für den Spracherwerb besitzt. Chomsky prägte den Begriff der Universalgrammatik, die eine angeborene Struktur der Sprache postuliert. Pinker baut auf dieser Idee auf und argumentiert ebenfalls für eine angeborene Sprachfähigkeit.

2) Ein weiterer gemeinsamer Punkt ist ihre Betonung der Syntax und Grammatik. Chomsky hat die Generative Grammatik entwickelt, die sich auf die syntaktische Struktur von Sätzen konzentriert und die universellen Regeln und Prinzipien der Sprache untersucht. Pinker greift diese Ideen auf und argumentiert auch für die Bedeutung der Syntax und Grammatik bei der Strukturierung und dem Verständnis von Sätzen. Beide sehen die Struktur der Sprache als zentralen Aspekt der menschlichen Sprachfähigkeit an.

3) Es gibt jedoch auch Unterschiede zwischen den Sprachtheorien von Pinker und Chomsky. Einer der Hauptunterschiede liegt in ihrer Auffassung von Sprache und Kognition. Chomsky ist ein Vertreter der kognitiven Linguistik und betont die Rolle der Sprache als Spiegelbild unserer kognitiven Prozesse und des menschlichen Denkens. Er argumentiert, dass Sprache unser Denken beeinflusst und dass die Struktur der Sprache Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden kognitiven Mechanismen zulässt.

4) Pinker hingegen betrachtet Sprache nicht nur als Produkt, sondern auch als Ursache unserer kognitiven Fähigkeiten. Er argumentiert, dass Sprache nicht nur unser Denken widerspiegelt, sondern auch aktiv an der Konstruktion unserer Denkprozesse beteiligt ist. Pinker betont die bidirektionale Beziehung zwischen Sprache und Kognition, wobei Sprache sowohl unsere Wahrnehmung der Welt strukturiert als auch unser Denken beeinflusst. (Im Kontext von Pinkers Sprachkonzept bezieht sich die «bidirektionale Beziehung» zwischen Sprache und Kognition darauf, dass Sprache sowohl von unseren kognitiven Fähigkeiten beeinflusst wird, aber auch unsere kognitiven Prozesse und Denkmuster beeinflusst. Es besteht somit eine Wechselwirkung zwischen Sprache und Denken, bei der Sprache unsere Wahrnehmung der Welt strukturiert und gleichzeitig unser Denken und unsere kognitiven Fähigkeiten weiterentwickelt. – (Die Idee der «Bidirektionalität» betont deshalb die enge Verbindung zwischen Sprache und Kognition und dass sie sich gegenseitig beeinflussen und formen.)

5) Ein weiterer Unterschied besteht in der Herangehensweise an die sprachliche Analyse. Chomsky hat sich stark auf die Syntax und die Untersuchung der generativen Grammatik konzentriert. Er hat sich mit formalen Sprachstrukturen und abstrakten Regeln beschäftigt. Pinker hingegen hat einen breiteren Fokus und bezieht auch andere Aspekte der Sprache mit ein, wie zum Beispiel Semantik, Pragmatik und den Spracherwerb bei Kindern. Er untersucht auch die evolutionäre Perspektive auf Sprache und die Rolle der Sprache in der Kommunikation.

Bild:
Steven Pinker
Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich