WARUM SCHMEISST DIE FRAU DAS GELD AUF DEN BODEN?

Zum ersten Mal am Meer! Damals, zu der Zeit, die noch andauert, brach ich mir als Primarschüler beim Skifahren in Arosa das Bein und reiste im darauffolgenden Sommer zusammen mit Mutter und Schwester ans Meer nach Cesenatico, weil der Arzt, der das Bein behandelte, sich dafür aussprach, dass eine vielversprechende Heilung durch das Gehen auf weichem Sand weiter gefördert würde. Unweit des Hotels befand sich eine Strandbar, in der die Mutter jeweils einen Campari zum Aperitif bestellte. In Erinnerung bleibt mir dabei vor allem, wie die Frau hinter der Theke einmal die Lira-Münze zum Bezahlen auf den Boden warf und dabei ausrief: «C’è falso!» Offenbar erkannte sie am Klang der Münze, dass es sich um Falschgeld handelte. Es war eben kein «Sound Money», also kein gesundes oder hartes Geld, sondern Falschgeld, bei dem wie einst bei den römischen Münzen die Legierung zu Gunsten des Zahlenden verändert wurde.

Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt zu dem, was unter dem Ausdruck «Nixon-Schock» in die Geschichte einging. Bekanntlich brachen die USA am 15. August 1971 einseitig ihr Versprechen, den Dollar jederzeit in Gold umzutauschen, ein Ereignis, das bis heute nachwirkt. Die Aufhebung der Dollar-Gold-Konvertibilität erlaubte es Amerika, die eigene Währung zu inflationieren, was seinen Niederschlag im Ausspruch findet: «The Dollar is our currency, but it’s your problem», schliesslich blieb für Amerika ein Dollar ein Dollar, die Zeche bezahlten andere. (Entsprechend häufig wird der Satz verwendet, um auf die Tatsache hinzuweisen, dass die USA ihre eigene Währungspolitik unabhängig von den Interessen anderer Länder verfolgen.)

Wieder nur ein kleiner Schritt ist es von hier zu dem, was sich in der Nacht von gestern auf heute ereignete: das vierte Bitcoin-Halving, ein bedeutendes Ereignis in der Welt der Kryptowährungen, insbesondere für Bitcoin. Vereinfacht gesprochen handelt es sich dabei um einen Mechanismus, bei dem das Angebot der Bitcoins alle vier Jahre verringert wird, um so die Inflation zu kontrollieren und die Knappheit der Währung zu gewährleisten. Langfristig gesehen ist das Halving also ein zentraler Mechanismus, um den Wert von Bitcoin zu bewahren. Im Grunde das exakte Gegenteil jeder Fiat-Währung, die an weiter nichts als Vertrauen gebunden ist. Anders ausgedrückt, ist die Kryptowährung Bitcoin im Unterschied zu Fiat-Währungen deflationär. Andernfalls würde sie nicht in ihrem Angebot verkleinert. Inflationär dagegen sind Fiat-Währungen wie der Dollar oder der Euro, ein wesentlicher Grund, weshalb vieles immer teurer wird.

Betrachten wir zum Schluss noch den gegenwärtigen Zustand der digitalen Transformation, dann lässt sich unschwer feststellen, dass wir uns schon lange in einem allumfassenden Digitalisierungsprozess befinden, der im eigentlichen Sinn die oft beschworene ZEITENWENDE darstellt. Damit ist gemeint, dass möglichst alles digitalisiert wird. Nicht nur Bilder und Töne, sondern auch Meetings, Arbeitsabläufe oder Mitteilungen, ja selbst das Geld. Dieser Vorgang lässt sich besonders deutlich am Unterschied zwischen «Gold» und «Bitcoin» veranschaulichen. Beiden gemeinsam ist die Tatsache, dass ihr Wert im Verhältnis zu den Fiat-Währungen steigt. Bei beiden ist die Verfügbarkeit begrenzt. Gold ist physisch, somit analog vorhanden, Bitcoin digital. Gold ist tangible, folglich greifbar, wohingegen Bitcoin einen digitalen Vermögenswert repräsentiert, der durch die dezentrale Blockchain-Technologie gesichert ist und nicht kopiert oder ausgetauscht werden kann. Die Menge an neuen Bitcoins, die durch Mining erzeugt werden, reduziert sich alle vier Jahre durch das Halving, während jährlich rund 3’500 Tonnen Gold neu gefördert werden. Die gesamte jemals geförderte Goldmenge wurde Anfang 2023 auf etwa 208’874 Tonnen, das sind 6,7 Milliarden Unzen, geschätzt. Die maximale Anzahl Bitcoins, die es jemals geben wird, ist durch Mathematik begrenzt auf 21 Millionen. Natürlich erfordert Gold eine physische Lagerung und ist daher schwer und teuer zu transportieren; demgegenüber wird Bitcoin digital gespeichert und ist über das Internet problemlos zu transferieren. Traditionell wird Gold seit tausenden von Jahren als Wertaufbewahrungs- und Zahlungsmittel sowie zur Absicherung gegen Inflation und wirtschaftliche Unsicherheit im Sinne einer Versicherung verwendet. Bitcoin andererseits wird von vielen als digitales Gold betrachtet, das ebenfalls als Zahlungsmittel dienen kann. Natürlich ist Gold älter und gilt deshalb allgemein als sicher, während der Wert von Bitcoin als neues Asset äusserst volatil verläuft und bei genauer Betrachtung seit der Einführung im Februar 2011 stark auf die sukzessive Inflationierung des Geldsystems reagiert. Im Grunde gelten beide als Absicherung von Risiken durch eine ungebremste Geldvermehrung, die zur Folge hat, dass scheinbar alles immer teurer wird. Gold und Bitcoin werden allerdings nicht teurer, sondern der Referenzwert, also das Fiat-Geld, ist immer weniger wert. Diesem Prozess etwas entgegenzuhalten, versuchen Gold und Bitcoin als sogenannt sicherer Hafen: das erste in analoger, das zweite in digitaler Form. Wer Gold oder Bitcoin kauft, mithin gegen Fiat-Währungen tauscht, geht dabei eine Wette auf die Zukunft ein, die niemand kennt. Die erstmals 1740 von David Hume diskutierte Induktionsproblematik lässt sich nämlich auch in diesem Zusammenhang nicht lösen. Zwar brauchen wir die Induktion, doch sollten wir nie vergessen, dass sämtliche Gewissheiten immer nur vorläufig sind. Eine gesunde Skepsis gegenüber Vorurteilen und Meinungen, auch den eigenen, bildet daher die Voraussetzung jeder vernünftigen Entscheidung.

Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich

Bild:
Antike Goldmünze, Kopf der Athena mit korinthischem Helm, ca. 300 v. Chr.