WIE LÖST DU TEXTAUFGABEN FÜR DIE #ZAP?

Das Anschlussprogramm der Zentralen Aufnahmeprüfung (ZAP) für den Übertritt von der Primarstufe an die Langgymnasien des Kantons Zürich umschreibt für die Prüfungsfächer «Deutsch und Mathematik die Kenntnisse, Fertigkeiten und Inhalte, die an Aufnahmeprüfungen vorausgesetzt werden.»

Im Hinblick auf das Textverständnis wird vorausgesetzt, dass «Kandidatinnen und Kandidaten zeigen, dass sie stufenadäquate Texte verstehen. Dabei können sie einem Text Informationen entnehmen, Zusammenhänge verstehen und über Fragen, die ein Text aufwirft, nachdenken.» – Heisst wie immer viel oder gar nichts. Jedenfalls werden sich Schüler und Schülerinnen aus der Primarschule nichts darunter vorstellen können. Daher soll im folgenden Blogartikel das Textverständnis der Sprachprüfung 2020 einmal nachgezeichnet werden. Damit sollte allen interessierten Kandidatinnen und Kandidaten klar werden, dass es nicht darum gehen kann, den Text der Sprachprüfung 1 Mal durchzulesen, um nachher alles auswendig aus dem Kopf zu beantworten. Wenn Du so vorgehst, verschenkst Du nur unnötig Punkte, was sich am Schluss rächen könnte. – An der Prüfung selbst wirst Du vermutlich feststellen, dass es gar nicht so wichtig ist, Grammatikkategorien wie Deklinationsformen oder Wortarten mit sämtlichen Untergruppierungen runterzurasseln. Alles, was sich auswendig lernen lässt, ist in den Hintergrund gerückt. Was zählt, ist, ob Du denken kannst. Weniger, ob Du auch fleissig bist, was Dich jetzt möglicherweise erstaunt. Trotzdem könnte Dir der nachfolgende Text auf die Sprünge helfen, zeigt er doch, worauf Du beim Beantworten von Textaufgaben besonders achten musst.

Zentrale Aufnahmeprüfung 2020 für die Langgymnasien des Kantons Zürich

TEXTVERSTÄNDNIS

Der Held
Lara war ausgerutscht, lag in einem Eisloch und schrie wie am Spiess. In ihrer Windjacke war wohl noch genug Luft, so ging sie nicht gleich unter. Jan überlegte, ob er sie herausziehen sollte, aber sie war über einen Meter entfernt und er hätte sich noch weiter von der sicheren Böschung des Sees entfernen müssen. Er beschloss, Hilfe zu holen. Während er sich umdrehte, rutschte auch er aus. Glücklicherweise bekam er einen Ast zu packen, aber der brach ab und so lagen sie beide im Wasser. Das Stück Holz verband sie wie eine Brücke. Jan strampelte nach dem ersten Schrecken noch wie wild, als er sich am Arm gepackt fühlte. Es war einer der beiden Angler, die an diesem See häufig ihr Glück versuchten. Er lag bäuchlings auf dem noch einigermassen sicheren Eis, während der andere ihn an den Beinen festhielt. Inzwischen war auch Herr Konjak, ihr Klassenlehrer, dazugekommen. Warum hatten sie sich auch von der Gruppe entfernt? Eigentlich hatte Jan Lara doch sagen wollen, dass er gerne mit ihr am nächsten Wochenende ins Kino gehen würde. Doch dazu war er dann gar nicht gekommen.

Dann hatten sie endlich wieder sicheren Boden unter den Füssen und Jan spürte ein anerkennendes Klopfen von Herrn Konjak auf der Schulter: «Mann, Junge, wenn du die Idee mit dem Ast nicht gehabt hättest, läge Lara jetzt vielleicht schon unter dem Eis – aus und vorbei – schrecklich.» Inzwischen waren auch die anderen Mitschüler herangekommen und staunten. Jan galt allgemein als Feigling. Aber jetzt – ein Lebensretter – unglaublich.

Kurze Zeit später lagen die beiden fix und fettig im Krankenwagen und dann im Spital. Lara hatte vorher die ganze Zeit nur geweint. Jan dachte nach. Sollte er die Wahrheit sagen, dass es eigentlich nur Zufall war, dass er mit ins Wasser gestürzt war und dabei diesen Ast mitgerissen hatte? Er beschloss, erst einmal abzuwarten.

Am Tag drauf gab es nur ein Thema: Jans Heldentat. Der fühlte sich wie auf einer schiefen Ebene. Einmal falsch abgebogen – nein, noch schlimmer, gar nichts getan. Schon ist man auf einem Weg, der einen immer mehr vom sicheren Hafen der Wahrheit wegführt, immer weiter auf ein Meer voller Ungewissheiten hinaus.

Schwierig wurde es dann für Jan in der Schwimmstunde am selben Tag. Bisher hatte er sich immer stark zurückgehalten, war allenfalls vorsichtig vom Einer-Brett gesprungen. Heute aber wurde sogar der Fünfer-Turm aufgemacht – und schon richteten sich alle Augen auf ihn: «Na, Jan, jetzt, wo wir deine wahren Fähigkeiten kennen … », meinte Tim, der Meinungsführer in der Klasse. Etwas Unsicherheit war in seiner Stimme. Einerseits konnte er nicht glauben, dass jemand sein Heldentum bisher so erfolgreich im Verborgenen gehalten hatte, andererseits wusste er, dass es solche Menschen gab, die erst in besonderen Situationen zeigen, was sie draufhaben. Mit dem Sprung wurde es dann nichts, Jan war rechtzeitig ausgerutscht und hielt sich tapfer lächelnd den Knöchel. Den Rest der Stunde verbrachte er auf der Bank.

Am nächsten Tag blieb er zu Hause, das notwendige Humpeln hatte er schnell gelernt. Am dritten Tag danach ging er wieder zur Schule. Die Stimmung war inzwischen etwas gekippt. Hatte Lara geredet? Sie hatte sicher gemerkt, dass er nur hilflos hinter ihr im Wasser herumgezappelt war, statt sich um sie zu kümmern. Jedenfalls guckten alle etwas seltsam – aber vielleicht kam ihm das auch nur so vor.

Dann aber kam seine Chance: Die Jungs machten hinter dem Rücken von Dr. Koch wieder Unsinn, Tim, der vor ihm sass, schmiss dabei sogar ein Glas mit einer Messapparatur vom Tisch. Kaum hatte der Lehrer sich umgedreht und gesehen, dass Tim versuchte, die Scherben aufzulesen, schrie er völlig ausser sich: «Jetzt reicht es, jetzt gehe ich mit dir zum Schulleiter.» Es war ein spontaner Entschluss gewesen. Jan meldete sich: «Tut mir leid, Herr Dr. Koch, aber mein Etui wäre fast heruntergefallen – und da habe ich zu schnell zugegriffen und dann ist das Glas gefallen.» In der Pause kam Tim zu ihm, klopfte ihm auf die Schulter und sagte leise: « … »

Lars Krüsand (gekürzt)

TEXTVERSTÄNDNIS

Aufgabe 1
Die Geschichte spielt unter anderem in verschiedenen Gebäuden. Nenne drei.

Diese erste Aufgabe lässt sich vermutlich nicht aus dem Kopf lösen. Du musst also den Text nochmals lesen. Dann solltest Du auf die richtige Lösung kommen. Die Antwort findet sich im Text.

im Spital
im Schwimmbad
zu Hause
in der Schule / im Schulzimmer

Falsch ist: im Kino

Aufgabe 2
Warum ist Jan Lara vor dem Unfall gefolgt? Antworte in einem Satz.

Hier musst Du den ersten Abschnitt nochmals lesen. Vom Verständnis dieser Frage hängt ab, ob Du den Text richtig aufschlüsseln kannst. Auch diese Antwort findet sich also im Text.

Richtig ist: Er will sie fragen, ob sie mit ihm ins Kino kommt.

Falsch ist: Er will sie retten.

Aufgabe 3
a) Jan sieht anfänglich zwei Möglichkeiten, um Lara zu helfen. Nenne sie in ein bis zwei Sätzen.

Kehre nochmals zum Text zurück. Im ersten Abschnitt findest Du die Antwort.
Richtig ist: Er könnte sie selbst herausziehen oder Hilfe holen. (Willst Du sicher sein, löse auch diese Aufgabe nicht aus dem Kopf.)

b) Warum wählt er gerade die Möglichkeit, für die er sich entschieden hat, und nicht die andere? Antworte in einem Satz.

Richtig ist: Er ist feige. Er ist vorsichtig. Es ist zu gefährlich.
Falsch ist: Er sieht, dass Hilfe kommt.

Aufgabe 4
Kreuze bei den folgenden Sätzen an, ob sie mit den Informationen, die wir dem Text entnehmen können, übereinstimmen (R) oder nicht (F).

(R) sind Anstreichungen, wenn sie mit dem Text übereinstimmen. Zum Beispiel: Der Ast bewirkt, dass alle in Jan einen Held sehen. / Lara bekommt den Asr zu fassen. (Beide Antworten sind richtig.)

(F) sind Anstreichungen, wenn sich die Antwort nicht aus dem Text entnehmen lässt oder wenn sie ganz einfach falsch ist. Zum Beispiel: Lara rutscht aus, weil sie ungeeignete Schuhe trägt. Einzig der Ast rettet die beiden aus dem Eis. (Beide Antworten sind falsch.)

Aufgabe 5
Wie genau gelingt es den beiden Anglern, Jan aus dem Wasser zu retten? Halte ihr Vorgehen Schritt für Schritt fest. Formuliere in ganzen Sätzen.

Wiederum ist genaues Lesen gefragt. Aus dem Kopf nach einmaligem Lesen lässt sich die Frage wohl nicht beantworten. Auch hier findet sich die Antwort im ersten Abschnitt.
Richtig ist: Einer legt sich auf den Bauch und packt Jan am Arm, der andere hält diesen an den Beinen fest.

Aufgabe 6
a) Nenne zwei Hinweise aus dem Text, die verdeutlichen, dass Jan sich seinen Knöchel im Hallenbad nicht wirklich verletzt hat. Antworte in einem Satz.

Richtig ist: Er ist rechtzeitig ausgerutscht. Das notwendige Humpeln hatte er schnell gelernt (Abschnitt 5 und 6).

b) Warum tut Jan so, als hätte er sich den Knöchel verletzt? Nenne zwei verschiedene Gründe in ein bis zwei Sätzen.

Richtig ist: Er hat Angst vor dem Sprung. Er möchte sein Ansehen nicht verlieren. (Hier musst Du interpretieren. Für einmal lässt sich die Antwort nicht durch genaues Lesen dem Text entnehmen.)

Erst in der letzten Aufgabe der Sprachprüfung wird etwas gefragt, das Du vorher auch gut einüben konntest. Offensichtlich will die Gymniprüfung nicht in erster Linie herausfinden, was Du alles gelernt hast, sondern möchte eher wissen, ob Du auch Aufgaben lösen kannst, die Du zuvor noch nie gesehen hast. Hier zum Schluss handelt es sich also um eine Ausnahme:

Schlussaufgabe:

Im folgenden Textabschnitt fehlen die meisten Satzzeichen (auch Anführungs- und Schlusszeichen). Setze sie wieder ein, ohne dabei etwas anderes zu verändern.

Wir wollen deinen Sprung sehen rief Tim Jan zu Bei seinen Freunden erkundigte er sich Versteht ihr’ wie Jan seinen Mut bisher verstecken konnte Ihr könnt schon sagen dass es besonnene stille Menschen gibt die ihr Können erst in der Gefahr zeigen Aber so ganz hat Jan mich noch nicht überzeugt

Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich

Bild:
Tetradrachme, 5. Jh. v. Chr.